Der Open Space muss eine UNkonferenz bleiben

sonst ist es kein Open Space mehr…

 

Am Wochenende gab es den letzten Pflichttermin des Jahres, der 8. Developer Open Space im Leipzig. Es wurden schon wieder alle Rekorde gebrochen – so viele Workshops (20), so viele Teilnehmer (um die 240) und – zu meiner besonderen Freude – so viele Frauen (kenne die genaue Zahlen nicht, aber im zweistelligen Bereich), wie noch nie. Danke nochmal an @TorstenWeber für die großartige Arbeit.

Für “Kenner” – alte Open Space-Hasen – war er lehrreich und spannend, wie immer. Wie sollte es sonst sein, wenn über 200 Nerds aufeinander treffen und ihre Erfahrungen austauschen. Diesmal haben sogar die üblichen 14 Stunden Session-Zeit + gemeinsames Frühstück + gemeinsame Abendveranstaltung nicht gereicht

Es war großartig, wie immer, aber wie gesagt: für Kenner. Ich habe nicht mal den Flughafen erreicht, als eine Diskussion über das immer zahlreicheren “Folien-Sessions” – Präsentationen – entbrannt ist.

 


Die Wahrheit ist, mir ist das früher auch nicht aufgefallen, aber das lag an meiner Erfahrung, wie man richtig priorisiert. Nach so vielen Jahren Community-“Mitgliedschaft” weiß ich genau, welche Sessions wert sind, in der begrenzten Zeit, die man bei einem Open Space hat, besucht zu werden. Deshalb ignoriere ich grundsätzlich Sessions die “Ich zeige euch meine Präsentation über das geilste, hippste, usw. Framework und wie ihr alle damit das geilste, hippste, usw. Webseiten bauen könnt”.

Und da ist das Problem: nur die erfahrenen Leute wissen das, die schon immer dabei waren, auch in den Zeiten, wo das die Ausnahme war. Die Beschreibung “Unkonferenz” ist nicht von ungefähr, ein Open Space ist keine Konferenz, wo man sich hinsetzt und konsumiert! Es lebt von den Teilnehmern, nicht von den Sponsoren oder von den Speakern.

Es gab schon immer One-Man-Shows und ich persönlich habe unglaublich viel davon profitiert, ich kann und will es nicht leugnen. Aber die waren NIEMALS Verkaufsgespräche sondern einfach nur Beweise dafür, wie großartig es ist, zu einer Community zu gehören. Ich habe manche von diesen Freunden – ich glaube, ich kann euch inzwischen Freunde nennen – mal gefragt, warum sie das tun, warum sie ihre wertvolle Zeit in uns noobes investieren und die Antwort war “darum, dass ihr das dann genau so weiter macht”. Und das ist genau das, was ich tue: ich möchte was der Community zurückgeben und meine Zeit in die Zukunft, in unseren Nachfolgern investieren: anderen zeigen, wie genial ein Community Event ist, wie großartig die Leute sind, die die Community bilden.

Ergo tue ich mich sehr schwer mit Versuchen, diese Events als “Projektmarkt” zu misbrauchen. (Ein hartes Wort, ich weiß, aber ihr wisst, ich sage, was ich denke 😉 )

Also hier mein Aufruf: Besucht weiterhin die Open Spaces, meidet aber Sessions, die “ich zeige euch, wie es geht” lauten, es sei denn, ihr habt selber darum gebeten. Lasst euch nicht die Zeit klauen, um euch von einer einziger Person berieseln zu lassen, wenn ihr in dieser Zeit einen echten Erfahrungsaustausch mit ehrlichen Berichten, ohne Powerpoint-Folien, erleben könntet. Alle haben was zu bieten, das beweist schon die Tatsache, dass ihr den Weg zum Open Space gefunden habt! Und noch was: stellt ruhig alle Fragen, die ihr habt, weil eins ist sicher: Hier gibt es keine Rollenaufteilung in Sprecher / Zuhörer, Entwickler / Administrator, Softwareentwickler / Projektmanager usw. und die Themen finden sich vor Ort ganz von selbst. ( http://nossued.de/ ).

Der nächste Open Space ist die Spartakiade und danach – wahrscheinlich 😉 – der Shorty Open Space (zu finden und anmelden via Twitter) oder doch der OPEN SPACE SÜD (im Juni oder Juli in Karlsruhe) – und danach natürlich der 9. Open Space Leipzig. Lass uns also eine neue Regel etablieren: Folienverbot!

Spartakiade – Marathonlauf für Entwickler

Am Wochenende von 21-22. März hat im Berlin die vierte Spartakiade stattgefunden. Die Idee der Veranstaltung ist einfach: eine Open Space-(Un)Konferenz, die ausschließlich aus Workshops besteht.

Ich habe bisher noch nie geschafft, die Spartakiade zu besuchen. Bis jetzt. Mein Urteil: volle Punktzahl. Diese zwei Tage machen zusammen mit den anderen Open Space Events (Developer Open Space in Leipzig, Open Space Süd in Karlsruhe und Shorty Open Space, der immer spontan via Twitter organisiert wird ) die Sache rund.

Wir waren über 100 Teilnehmer, die in den 2 Tagen 19 Workshops besucht haben. Unsere Coaches genau so wie die Organisatoren sind really most valuable persons der Community, die mehr als unseren Dank verdienen: ein großer fetter Dank von mir nochmal an euch alle (ich hätte Angst, dass ich jemanden vergesse, deshalb schreibe ich hier keine Namen. Aber sie sind alle auf der Homepage der Spartakiade zu finden).

Ich meine, es ist schon großartig, dass wir die Workshops unter traumhaften Bedingungen, in den Räumlichkeiten von Immobilienscout24 haben dürften. Aber einen vollen Kofferraum Gadgets zu besorgen um das Workshop “Smart Things” vorzubereiten, oder neben der Arbeit sich in das Thema Graphdatenbanken einzuarbeiten UND die Präsentation an die 15 oder so “ausgehungerten” Entwickler vorzustellen –  nur um zwei von den Workshops zu erwähnen – , das macht man nicht mal so. Genauso wenig, wie für das Mittagessen mal 1 bis 3 Stunden im verregneten und kalten Berlin neben dem Grill auf der Straße zu stehen und für den zweiten Tag sich einen Burger-Wagen auszudenken, dann ist das schon viel viel mehr, was man normalerweise tun muss. Sowas entsteht nur durch voller Hingabe.

Ich habe hier keine Details über die Workshops, die ich besucht habe, genannt, weil sie auf jedem Fall eigene Blogposts verdienen. Ich kann nur eine Bemerkung eines Kollegen zurückgeben: “die Kosten, die durch dieses Wochenende entstanden sind, sind peanuts im Vergleich dazu, wie viel wir gelernt haben und wie viel return-of-investment aus dieser Investition entstehen wird!”

Open Space – agiler geht es nicht

Letztes Wochenende war wieder Hightide für Entwickler: es war “Open Space Süd Time” in Karlsruhe. Es gab viele bekannte und viele unbekannte (= neue) Gesichter. Es gab sogar ich glaube fünf weibliche Teilnehmer und auch noch einen Hund 😀

Wegen den vielen neuen Teilnehmer war es nach mehreren Jahren wieder notwendig, die Prinzipien zu erklären, die bei einem Open Space gelten:

Regeln

Im Open Space gibt es vier Prinzipien (eigentlich eher Beobachtungen, wie sich die Welt zeigt)

  1. Wer auch immer kommt, es sind die richtigen Leute – einer oder 25 ist egal, und jeder ist wichtig und motiviert.
  2. Was auch immer geschieht, es ist das Einzige, was geschehen konnte – Ungeplantes und Unerwartetes ist oft kreativ und nützlich.
  3. Es beginnt, wenn die Zeit reif ist – wichtig ist die Energie (nicht die Pünktlichkeit)
  4. Vorbei ist vorbei – Nicht vorbei ist Nicht-vorbei – wenn die Energie zu Ende ist, ist die Zeit um.

und ein Gesetz:
Gesetz der zwei Füße

Das Gesetz der zwei Füße ist Ausdruck der Freiheit und Selbstverantwortung: Der Teilnehmer bleibt nur so lange in einer Gruppe, wie er es für sinnvoll erachtet, also solange er etwas lernen und/oder beitragen kann.
(Wikipedia)

Es gibt auch eine Beschreibung der Teilnehmer:

Teilnehmer

Bei Open Space gibt es nicht den richtigen oder falschen Teilnehmer. Jeder ist willkommen, der oder die sich direkt betroffen und motiviert fühlt, etwas verändern zu wollen. Es sollen möglichst unterschiedliche Menschen eingeladen werden (Berufsgruppen, Verantwortungsbereiche, Alter, aber auch Kunden, Nachbarn, etc.), darunter die wesentlichen Meinungsmacher und Multiplikatoren.

Nach diesem letzten Open Space würde ich diese Definition erweitern:
jeder, der teil nimmt muss zu einem offenem Gespräch bereit sein. Das bedeutet, er muss nicht nur neugierig auf die Meinung der anderen sein, sondern muss bereit sein, seine Ansichten zu revidieren, wenn er sich geirrt hat.

Kommt jemand hin, um etwas zu präsentieren anstatt zu diskutieren: dafür ist Open Space nicht geeignet. Das ist keine Konferenz, wo die Leute bezahlen und hoffen, dass es sich lohnt 😉
Andererseits kommt jemand ohne irgendwelche Ansichten dahin, hat er die Möglichkeit, sie hier zu formen, die Meinung der anderen an zu hören und seine eigenen Schlussfolgerungen zu ziehen.

Was hat das alles mit Agilität zu tun? Schauen wir mal, was während diesen 2 1/2 Tagen immer wieder – in Zyklen sozusagen – passiert:

  1. – wir beschreiben Probleme oder Angebote und schmeißen sie in die Runde. Es werden die Interessenten gezählt und auf die Karte notiert => hört sich wie Planungsmeeting an, oder?
  2. – wenn das Bord voll ist – wie ein Backlog – , muss die zeitliche und räumliche Reihenfolge definiert werden, und zwar nach Sinn und Machbarkeit => genau wie in einem Priomeeting?
  3. – jetzt kommt die größte Herausforderung: welchen Session soll ich besuchen? Welcher hat für MICH die höchste Prio? Wie organisiere ich meine Zeit so, dass mein “Backlog” auch abgearbeitet wird?

Die ganzen Zeit stellen wir Fragen gestellt und Antworten überlegt: Anforderungen an andere definiert und selbst welche erfüllt. Wenn diese Anforderungen sich geändert haben – siehe spontane Coding Dojo von 18 bis fast 20 Uhr am Samstag Abend – dann wird vom Team sofort eine Entscheidung getroffen: passt es noch in diesem oder erst im nächsten Sprint (also am zweiten Tag).

Wir versuchen ununterbrochen durch die richtige Kommunikation die Lücken zu schließen, die wegen den Unterschiede in Erfahrung, Ausbildung, Alter, Geschlecht, Herkunft usw. existieren. Wir haben eine zeitliche Vorgabe – jeder Timeslot ist 45 Minuten lang – den wir zwar wahrnehmen aber uns damit nicht unter Druck setzen lassen.

Und jeden Abend wird der wichtigste Teil eines agilen Prozesses zelebriert: die Retrospektive – bei einem kühlen Bier 🙂